Lektor: Einsatz in Mexiko
Zu den guten Seiten des Berufs gehören die Reisen. Ich arbeite vor Ort mit Autoren zusammen, die nicht nur die Korrektur ihrer Manuskripte benötigen, sondern auch die Diskussion. Wie ein Mensch denkt und fühlt, wie er arbeitet und über welches Maß an Phantasie er verfügt: Das steckt im Manuskript.
Die Zusammenarbeit mit dem Lektor bedingt unbedingt Gleichklang, also Vertrauen, das entsteht oder sogleich vorhanden ist. Es gab Vorgespräche und Pläne.
Es hat mich gefreut, zwei Wochen lang im September in Mexiko sein zu dürfen. Der Monat hat Herausforderungen gestellt. Zuerst war ich in Vietnam, um mich über ein wichtiges Entwicklungshilfeprogramm zu informieren und meine Hilfe zuzusagen.
Dort wird jungen Menschen zu einem aussichtsreichen Beruf verholfen. Die Reise führte mich mit Turkish Airlines über Istanbul, Bangkok nach Ho Ch Minh City (vormals Saigon), dort auch in das Kriegsmuseum, das das Grauen des Vietnamkrieges bestürzend deutlich dokumentiert. Geschlafen habe ich in einem sehr günstigen Hotel, bin morgens um sechs Uhr aufgebrochen, um zu sehen, wie junge Vietnamesen mit Metallwerkstücken arbeiten.
Nach einem Zwischenstopp in Berlin ging es weiter nach Cancun in Mexiko, um ein Manuskript (Biografie) zu korrigieren.
Indessen sind solche Reisen Ausnahmefälle, die ich gern akzeptiere. Flüge sind günstig, Hotels sind billig. Deutschsprachige Autoren sind überall schnell erreichbar. Die Last liegt darin, dass ich oftmals kurze Zeit brauche, um mich an das jeweilige Klima und die Zeitverschiebung zu gewöhnen.
Im direkten Kontakt lassen sich viele Probleme erörtern, neue Ideen schöpfen, die ins Manuskript integriert werden, wenn Chancen vertan wurden, die der Qualität der Arbeit dienen können. Autoren fühlen sich allein. Freunde sind wohlmeinend, jedoch nicht so konstruktiv, wie sich der Autor das wünscht. Bodenständig und zugeneigt arbeitet der Lektor vor Ort mit Autoren zusammen, korrigiert tagsüber, übersendet per E-Mail die neuen Ergebnisse, lässt eine Stunde verstreichen, trifft sich mit dem Autor, um das Lektorierte oder neu Geschriebene zu erörtern, das Ganze auf den Prüfstand zu stellen, neue Ideen zu entwickeln, die am nächsten Tag realisiert werden. Meist reicht der Aufenthalt im Zeitraum von 14 Tagen aus. Dieser Service ist selten, und aus meiner Erfahrung wird er als höchst hilfreich angesehen.
Für mich als Lektor und Ghostwriter bedeutet das auch, neue Impressionen zu sammeln: wie in Vietnam und Mexiko zuletzt. Jeder Erfahrungsschatz muss vergrößert werden, nicht nur, weil ich zuweilen Reiseberichte bearbeite, sondern auch Romane, deren Protagonisten sich in fernen Welten bewegen, sich mit dem Klima abquälen, der eigenen Sprachlosigkeit in fremden Kulturen.
Erst einmal stehen in diesem Jahr keine Reisen an. Mein Berliner Schreibtisch ist der Platz, an dem ich Manuskripte korrigiere oder schreibe, für Kinderbücher, Biografien, Ratgeber und vor allem – besonders gern – für tiefgründige Romane. Es ist viel zu tun, weil die Erstellung von Literatur durchaus eine Kunstform sein muss – wie das Malen von Bildern.