Gute Frage: Lektor oder Ghostwriter beschäftigen?
Jedes Manuskript lebt von unendlich viel Details. Mit diesen Details werden die Bilder gezeichnet. Es geht dabei um Orte oder um Charakterisierungen. Wie wohnt jemand? In welcher Gegend? Mit welcher Einrichtung? Solche Dinge weisen auf den Status hin, jedoch auch auf den Anspruch. Niemand käme auf die Idee, dass der Bewohner mehrfacher Millionär ist, wenn er auf 28 Quadratmetern in einer sozial schwierigen Gegend am Stadtrand lebt. In der Tat gibt es solche Fälle und oftmals das Gegenteil. Der teure Sportwagen davor soll darüber hinwegtäuschen, dass in der Villa Tag für Tag darum gebangt wird, ob nach dem Telefon auch noch der Strom abgestellt wird. Solche Details sind nicht schwer darstellbar, bestimmt Extremfälle mit der deutlichen Gefahr, bequem Klischees zu bedienen.
Hingegen zeichnen sich biografische Romane durch die genaue Angabe von Jahreszahlen, Orten aus. Damit ist es nicht getan. Es muss eine Geschichte erzählt werden. Bliebe es bei der Angabe von Daten, dann wäre das Manuskript kein Roman, sondern eine Dokumentation. Die könnte sogar tabellarisch gestaltet werden.
Zeiten haben ihre Automarken, ihre Frisuren, ihre Kleidermode. Was in der Vergangenheit liegt, muss dem Leser so präsent sein, als wäre er dabei und sogar mittendrin. Deshalb muss der Leser ein Gefühl entwickeln. Umstände lösen solche Gefühle aus. Sie helfen dem Leser, mit seinen Erfahrungen abzugleichen, überrascht zu sein wegen des Unbekannten, des Unvorstellbaren.
Was die Details angeht, ist es oftmals besser, das Manuskript selbst zu schreiben. Der Ghostwriter würde hingegen andere Vorstellungen haben, wenn ihm keine Fotos, Videos, reichhaltige Schilderungen vorliegen. Das muss beiden von Anfang an klar sein. Wird die Formulierung einer lebhaften Geschichte angestrebt, ist es besser, selbst schreibend alle Vorarbeiten zu erledigen und dem Ghostwriter dann das Material zu übergeben, damit er die Geschichte plastisch erzählt. Dazu gehören Rücksprachen und Absprachen. Wichtig ist das ständige Feedback des Auftraggebers, ob der Ghostwriter die Vorstellungen getroffen hat. Wichtig auch: Der Ghostwriter muss sich für das Thema begeistern können. Wer alles einfach herunter schreibt, schafft mit Glück allenfalls Mittelmaß. Das darf nicht sein. Also muss der Ghostwriter mit auswählen.
Zuweilen sind alle Details stimmig. Die Geschichte hat ihre eigene Dynamik. Dann kommt es als Auftraggeber darauf an, sich selbst eine Art künstlerischer Freiheit zu nehmen, was Abweichungen angeht, um mit der Handlung das Wesentliche zum Leser zu bringen.
Funktioniert die Zusammenarbeit vertrauensvoll, kann die Herstellung des Manuskripts wegen der Absprachen, der Vorlagen, des Einarbeitens Wochen und Monate dauern. Kostenlos kann es diese Leistung nicht geben, weil ein Fachmann bzw. eine Fachfrau sich beruflich um das Anliegen der Auftraggeberin bzw. des Auftraggebers kümmern: Tag für Tag, kreativ, werbend, einig, vertrauensvoll.
Warum komme ich auf den Punkt „kostenlose Arbeit“? Oftmals gibt es Anfragen, die bereits umfangreiche Schilderungen enthalten. Das Ziel wird auch umformuliert: Ist der Ghostwriter interessiert, nimmt er sich kostenlos und mit Leidenschaft des Themas an. Das ist tatsächlich Realität, nicht selten, zumal sich der Auftraggeber bzw. die Auftraggeberin für das eigene Thema entflammt hat und fest davon überzeugt ist, dass es dem Ghostwriter genauso gehen wird. Der ist wie ein Handwerker, der seinen Beruf ernst nimmt wie ein Architekt, wie ein Maurer.
Deshalb ist es schon beim ersten Gespräch nötig, darauf hinzuweisen, dass der Ghostwriter einen Beruf ausübt, an seine eigene Versorgung denken muss, bestimmt nicht reich wird. Am Ende überlässt er alle seine Ideen und ausformulierten Leistungen einer anderen Person, freut sich, schweigt.
Selbst schreiben oder schreiben lassen? Es gibt keine eindeutige Antwort. Beides ergänzt sich. Es geht schneller und bequemer, wenn der Auftraggeber Vorleistungen erbracht hat, damit er und seine Geschichte erfasst werden können. Gespräche vor Ort sind dabei nicht schlecht. Meist reichen zwei Tage. Flüge sind billig und Hotels günstig. Da sitzen Auftraggeber und Ghostwriter gemeinsam am Tisch, schätzen ein, entwickeln den Stoff, werden sich einig. Die Arbeit kann beginnen. Ohne diese Vorgaben ist der Ghostwriter wie ein führerloses Schiff auf hoher See, der riskiert, dass der Auftraggeber unwirsch darauf hinweist, sich die Arbeit nicht so vorgestellt zu haben. Darüber kann der Ghostwriter verzweifeln. Das kann den Anfang vom Ende der Zusammenarbeit bedeuten.
Einigkeit ist der beste Ausgangspunkt, um ein gutes Buchmanuskript herzustellen, das Leser erreicht. Insofern lässt sich auch sagen: Das Manuskript ist ein professionell hergestelltes Produkt, an dem beide feilen müssen, der Auftraggeber und sein Ghostwriter. Der Auftraggeber kann mit Fug und Recht das Manuskript als seins betrachten, wenn es fertig ist.
Wer selbst schreibt, benötigt am Ende jemanden, der das gesamte Werk mit Einfügungen, Nachfragen optimiert. Wer lange Zeit an seinem Manuskript gearbeitet hat, liefert oftmals eine sehr gute Vorlage. Es ist nicht wichtig, ob Korrekturen des Stils, der Rechtschreibung usw. nötig sind. Hauptsache: Die Geschichte steht weitgehend.
Möglicherweise hilft am Anfang die Beratung. Aus der erwächst die Begleitung mit Ratschlägen vom Ghostwriter. Das ist auch eine sehr schöne Variante für die Zusammenarbeit, an deren Ende die Optimierung steht. Die kann vom Autor bzw. der Autorin nach allerlei Vorschlägen selbst vorgenommen werden. Doch wird Distanz benötigt, weil die Arbeit am Manuskript den Autor bzw. die Autorin bis zur Erschöpfung gebracht hat. Vielleicht hilft eine Pause vor dem Endspurt, und niemand ist allein, wenn ein Profi jederzeit erreichbar ist.