Warum sollte ich meine Biografie schreiben?
Es gibt heute sieben Milliarden Lebensgeschichten auf der Welt. Jede unterscheidet sich. Keine ist so persönlich wie die eigene.
Dennoch sollten sich Autoren von Biografien fragen, wen sie wie erreichen können. Ginge es allein um das Schreiben, also den Rückblick und die Einsicht, die Distanz und die Leidenschaft fürs eigene Leben, würde ein Exemplar reichen.
Warum also sollte man planen, das Manuskript zum Buch werden zu lassen?
Geringe Chancen
Sehr, sehr selten werden die Biografien von Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen, von Verlagen mit Reputation veröffentlicht. Dennoch treffen dort jeden Tag zahlreiche Manuskripte ein.
Entschlossen geben die Abgewiesenen viel Geld aus, um das Buch auf eigene Kosten lektorieren, layouten, drucken und vertreiben zu lassen. Wer wird es lesen wollen?
Dem Leser muss mehr geboten werden. Das liest sich zynisch. Ich weiß. Viele Manuskripte erinnern mich an Kalendereinträge, an Notizzettel: Sie sind nüchtern und chronologisch verfasst.
Zu den menschlichen Ausprägungen gehören Humor, Wut und Zynismus. Das alles sollte der Leser spüren, nicht nur davon lesen können. „Da war ich aber ziemlich sauer …“
Verloren
Sonst ist das eigene Werk wie ein Sandkorn in der Wüste oder, um Manès Sperber zu zitieren, wie eine Träne im Ozean.
Ein gutes Manuskript benötigt die ausgefeilte, vielschichtige Dramaturgie, vielleicht auch die Vision, wie es aufrecht weitergehen wird.
Die Leser sollen sich identifizieren, ihre eigenen Erlebnisse einordnen können. Zuweilen gibt es am Ende der Lektüre Ansichten: „Das alles hätte ich nicht ertragen können.“ Eine Biografie im Buchformat muss Gefühle auslösen.
Und: nicht genug. Es kommt dabei entscheidend auf die scheinbar nichtigsten Details an. Wichtig ist die sprachliche Hochwertigkeit. Feinarbeit macht Arbeit, die sich lohnt. Der scharfe Blick richtet sich auf Bewegungen, Ton- und Stimmungslagen, auf Farben und Geräusche in vergangener Zeit. Wenn man die Einordnung braucht: Es entsteht ein Roman mit unterschiedlichen Spezifizierungen: denen des Krimis, der Satire, der Saga.
Verbündeter, nicht persönlicher Freund
Das Schreiben von Biografien ist eine starke Herausforderung, auch für den Lektor. Er ist weder Freund noch Kumpel, doch Verbündeter. Der Lektor bearbeitet mit dem Blick auf die Verlagsansprüche und die Leser gewissermaßen Werkstücke.
Bei einem Auftrag im August habe ich 17 600 Korrekturen vornehmen müssen. Das ist für den Lektor nicht dramatisch. Er übt einen Beruf aus.
Lektoren brauchen wie ihre Autoren ein starkes Nervenkostüm. Niemand sollte sich angegriffen fühlen. Dennoch muss es bei der Distanz zwischen dem Lektor und dem Autor respektvoll bleiben. Der Lektor weiß sehr wohl, dass Jahre vergangen sind, bis der Entschluss gereift ist, ein Buchmanuskript zu verfassen.
Basis
Er kennt die Mühen und hat großes Verständnis dafür, dass er nicht für geborene Schriftsteller arbeitet. Daraus leitet er keine Überheblichkeit ab, aber großes Engagement für das Bearbeiten des Manuskripts. Es soll Chancen auf dem Buchmarkt haben, unbedingt.
Vielleicht sollte man das Leben als Werkstück sehen. Diese Anregung ist nicht unredlich. Leider: Die Geschichte allein reicht nicht.
Die UNO hat erklärt, dass in diesem Jahr 2011 die Marke überschritten wird: Es gibt sieben Milliarden Menschen auf der Erde. Es werden mehr. Geschichten kommen hinzu. Das Streben nach Einzigartigkeit ist niemals ein aussichtsloses Unterfangen, doch muss es auf dem riesigen Markt auffallen: Die Qualität ist die beste Wegbegleiterin.
Ganz ehrlich
Buchmanuskripte treffen auf Qualitätsansprüche formaler Art. Das muss immer bedacht werden. Aber eine Garantie, ob die Öffentlichkeit mit privaten Biografien erreicht werden wird, gibt es nicht: nicht einmal nach der Bearbeitung durch den denkbar besten Lektor.
Ehrlichkeit ist kein Geschwür.
Streben Sie das Abenteuer trotzdem an. Bedenken Sie unbedingt die Kosten für die vielen Arbeitsstunden Tag und Nacht, die ein Lektor für das Korrekturlesen und die Gespräche mit dem Autor benötigt. Der Preis für die intensive Bearbeitung von 150 Normseiten wird oft bei rund 1 000 bis 1 500 Euro liegen.
Selbst die Einschätzung eines Manuskripts des Lektors, das er studiert und schriftlich nachvollziehbar einschätzt, kostet Geld für die intensive Arbeitszeit.